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Künstliche Intelligenz: „Es ist fünf vor zwölf, aber noch nicht zu spät“

Die Regierung bastelt spät, aber doch an einer Strategie für den Einsatz künstlicher Intelligenz. Eine Accenture-Studie sieht in diesem Bereich bei Unternehmen und Verwaltung noch viel Aufholbedarf.

Künstliche Intelligenz und deren Anwendung werden über das Schicksal ganzer Volkswirtschaften entscheiden. Und Österreich ist in diesem Feld, nun ja, nicht ganz vorn dabei. „Wir haben den Fokus in den vergangenen zehn Jahren zu wenig darauf gelegt“, sagte Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck gestern. Und: „Es ist fünf vor zwölf.“

Aber nicht zu spät, wie der Österreich-Chef des internationalen Beratungsunternehmens Accenture, Michael Zettel, meinte. Accenture hat im Auftrag des Ministeriums den Istzustand und die Potenziale der künstlichen Intelligenz (KI) im Rahmen einer Studie durchleuchtet, und dabei eine insgesamt durchwachsene Situation festgestellt.

Ein Beispiel: 20 Industriestaaten haben bereits eine konkret ausgearbeitete KI-Strategie (die meisten seit dem Vorjahr), Österreich noch nicht. Das soll sich aber bis zum Sommer ändern: Im August will auch Österreich eine solche Strategie vorlegen. Das wird unter anderem dabei helfen, die vielen Einzelinitiativen in diesem Bereich zu koordinieren und damit eine Verzettelung der Forschungsmittel (ein altes österreichische Problem) zu beenden.

Es geht um viel: Nach den Berechnungen der Accenture-Experten ließe sich das österreichische „Basis-Wachstum“ von 1,4 Prozent im Jahr durch KI-Einsatz auf drei Prozent mehr als verdoppeln. Das ergäbe im Jahr 2035 eine zusätzliche Bruttowertschöpfung von 122 Mrd. Euro. Allerdings nur, wenn die Hausaufgaben gemacht werden. Österreich sei in diesem Bereich zwar insgesamt gut aufgestellt und habe auch die Bedeutung der künstlichen Intelligenz erkannt, die Umsetzung erfolge aber zu zögerlich.

Und zwar nicht nur in der Verwaltung, sondern auch in den Unternehmen selbst: Nur 42 Prozent der heimischen Unternehmen beschäftigen sich derzeit aktiv mit KI. International ist das ein sehr niedriger Wert. Und: Selbst unter den Top-100-Unternehmen gebe es nur wenige mit digitalen Geschäftsmodellen. Besonders in der mittelständischen Wirtschaft sehe man eine eher abwartende Haltung.

Die öffentliche Verwaltung, heißt es in der Studie, müsse experimentierfreudiger und innovativer werden. Ein Problem seien besonders die „Datentresore“ in den Amtsstuben, die aufgebrochen werden müssten: Der Einsatz von künstlicher Intelligenz mache den möglichst ungehinderten Zugriff auf Daten notwendig. Die Amtsverschwiegenheitskultur stehe dem entgegen.

Den Unternehmen im Land empfehlen die Accenture-Experten jedenfalls dringend, neue, datengetriebene Geschäftsmodelle voranzutreiben und einen besonderen Fokus auf den Bereich Produktion in den Leitindustrien zu legen. Dort seien die größten Produktionssteigerungen durch KI zu erzielen.

Als Felder mit hohem Potenzial sieht Zettel aber auch den Handel und die Landwirtschaft. In Letzterer ließe sich die Produktivität durch „Smart Farming“ (selbstfahrende Traktoren, Melkroboter, die gleich die Milch analysieren etc.) um stolze 38 Prozent steigern. Zwei Drittel der Produktivitätssteigerungen durch KI werden in den kommenden 17 Jahren auf diese drei Wirtschaftssektoren zurückgehen, heißt es in der Studie.

Im Forschungsbereich empfiehlt die Studie der Regierung, eine Vision für KI-Forschung zu entwickeln und bei der Förderung vom Gießkannenprinzip auf Fokussierung umzusteigen. Maßnahmen seien auch im Bildungssektor nötig, und zwar auf allen Ebenen.

Schramböck kündigte an, dass es ab 2020 einen eigenen Lehrberuf für Programmierung, Datenaufbereitung und -analyse geben wird.

Den Aufholprozess beschleunigen könnte es, wenn sich Österreich als Versuchsmarkt für künstliche Intelligenz positionierte, meinte Studien-Mitautor Albert Moik. Von der Größe her sei das Land dafür ideal.

Und wie viele Arbeitsplätze wird der KI-Einsatz kosten? „In Summe gar keine“, meint Zettel. Die Beschäftigung werde insgesamt eher zunehmen, allerdings würden sich Verschiebungen bei den Berufsfeldern ergeben.

2.5.2019, Quelle: Die Presse

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